Kohlenstoff in der Chemie-Industrie: Bis 2050 gilt es fossiles CO2 zu ersetzen
Der Prozess der Dekarbonisierung des Energiesektors und der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in vielen Ländern im Gange. Und ist auch aufgrund der Klimawende vollkommen nachvollziehbar. Es ist jedoch unmöglich, im Sektor der Chemikalien und Folgeprodukte auf Kohlenstoff zu verzichten. Die chemische Industrie hat einen dauerhaften und steigenden Bedarf an Kohlenstoff, der in vielen Produkten gebunden ist.
Heute sind insgesamt 450 Millionen Tonnen Kohlenstoff in Chemikalien und Polymeren enthalten, die meist aus fossilen Ressourcen stammen. Es gilt, den deutlich sich erhöhenden Bedarf bis 2050 durch erneuerbaren Kohlenstoff zu decken. Das bedeutet, dass der Chemie-Sektor aktuell in der größten Transformation seit der industriellen Revolution steckt. Die Nachfrage nach gebundenem Kohlenstoff wird in Zukunft nämlich erkennbar weiter steigen. Eine Kreislaufwirtschaft erscheint daher unerlässlich, hat Ferdinand Kähler in der Fachzeitschrift ‚Prozesstechnik’ schon Ende 2021 diagnostiziert.
Um die Nutzung von fossilem Kohlenstoff durch erneuerbare Kohlenstoffquellen zu ersetzen und somit einen nachhaltigen Wandel zu schaffen, gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Biomasse, Recycling und CCU (Carbon Capture and Utilisation). Durch eine echte Kreislaufwirtschaft kann so der Kohlenstoffzyklus geschlossen werden. Es ist möglich, alle heutigen Chemikalien und Folgeprodukte aus erneuerbarem Kohlenstoff herzustellen, der dann aus Biomasse, abgeschiedenem CO2 oder Recycling gewonnen wurde. Eine 15-fache Steigerung der Produktion von erneuerbarem Kohlenstoff bis zum Jahr 2050 wäre jedoch notwendig, um den Bedarf zu decken.
Strategien und Methoden für eine Kreislaufwirtschaft
Eine dedizierte Strategie für eine Kohlenstoffwirtschaft erfordert den Aufbau neuer Strukturen durch neue Verfahren, wie Biotechnologie, Holz- oder Elektrochemie, um Rohstoffe effizienter aus Biomasse oder CO2 zu erzeugen. Dadurch können Produkte hergestellt werden, die oft Eigenschaften aufweisen, die in herkömmlichen petrochemischen Produkten nicht zu finden sind. Beispielweise kann eine solche Strategie den Ersatz von petrochemischen Kunststoffverpackungen durch Verpackungen aus Papier, Zellulose oder Naturfasern beinhalten.
Die Nutzung von organischen Abfällen dürfte ein Schlüssel für den Übergang zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft sein. Die Verwertung von Biomasse ist vor allem dort sinnvoll, wo funktionale und komplexe molekulare Einheiten der Biomasse nach der chemischen Umwandlung erhalten bleiben und weiter genutzt werden können. Dies gilt beispielsweise für die Oleochemie, für Naturkautschuk und Lignin sowie für zahlreiche neuartige biobasierte Komponenten wie organische Säuren und Furan-basierte Produkte. Die industrielle Biotechnologie kann dabei helfen, komplexe Moleküle in kurzen, schonenden und maßgeschneiderten Verfahren herzustellen.
Vielversprechend ist auch ein ausgeklügeltes Recycling: Mit dem chemischen Recycling können nahezu alle Abfallfraktionen – insbesondere gemischte – recycelt und in hochwertige Einsatzstoffe umgewandelt werden. Beim mechanischen und chemischen Recycling verbleiben so größere Teile des Kohlenstoffs im Kreislauf – aber eben nicht alle. Neben dem Recycling werden daher andere Quellen für erneuerbaren Kohlenstoff benötigt, um die Lücken im Kreislauf zu schließen und die Verluste zu minimieren. Auch durch die Kombination von CO2 mit grünem Wasserstoff können verschiedene Zwischen- und Endprodukte hergestellt werden, wie etwa Methan und Methanol. Die Fischer-Tropsch-Reaktion ermöglicht es zudem, aus CO2 und Wasserstoff synthetisches Naphtha herzustellen.
Die Vorgaben für eine Kreislaufwirtschaft sind also gesetzt und können mit den entsprechenden Rahmenbedingungen durchaus umgesetzt werden, um die chemische Industrie zu einer echten Transformation zu führen.
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